Alles mal anders II - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
Direkt zum Seiteninhalt
Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist

Mein erstes digitales Abendmahl

Wie immer bin ich ein wenig aufgeregt, bevor ich den Raum betrete. Funktioniert die Tech‐ nik? Ist das Zimmer aufgeräumt genug für den Ausschnitt, der gleich in der Kamera zu sehen ist? Und wie sehe ich eigentlich aus?
Diese Fragen stelle ich mir jedes Mal, wenn Videokonferenzen anstehen. Da das Predigerseminar momentan in digitaler Form stattfindet, ist das täglich der Fall. Anders als sonst können wir nicht zusammen in Loccum sein, sondern treffen uns in einem Onlineraum. Heute steht etwas Besonderes auf dem Programm.
Neben mir auf dem Schreibtisch steht eine Kerze, liegen Streichhölzer. Daneben ein Teller mit zwei Fladen Brot. Die habe ich gestern noch selbst gebacken. Außerdem eine schlichte Tasse mit weißem Portwein. Und ein Wollfaden, so lang wie der Bildschirm meines Laptops breit ist. Es sieht also so aus, als wäre alles bereit. Bereit für meine erste digitale Abendmahlsfeier.
Als ich den digitalen Raum betrete, ist mein Bildschirm schon gefüllt mit vielen kleinen Kamerabildern meiner Kolleg*innen. Ich lächle die anderen an. Naja. Genau genommen lächle ich einfach in die Kamera. Das Vertrackte bei diesen Videokonferenzen: Man weiß nie, wem der Blick der anderen gilt.
Um 9:30 Uhr geht es los. Auch der Ablauf ist zum Mitlesen auf meinem Bildschirm eingeblendet. Alle zünden zeitgleich eine Kerze an und halten sie dann in die Kamera. Es gibt Musik, Gebet, Gesang. Wir hören zu. Singen mit. Die Mikrofone der Teilnehmer*innen sind aus. Nur diejenigen, die die Abendmahlsfeier leiten, sind zu hören. Ansonsten: viele kleine Bilder – viele singende Münder. Doch kein gemeinsamer Gesang erklingt.
Die Mikrofone schalten wir erst zum Vaterunser ein. Ein Stimmengewirr erklingt. Auch die Einsetzungsworte sprechen wir gemeinsam. Das kommt für mich etwas plötzlich. Während ich spreche, merke ich: Oh, nun aber schnell das Brot nehmen, es brechen, mich bekreuzigen. Beim Kelch bin ich schon besser vorbereitet. Wirklich seltsam ist, dass mir eben niemand Brot und Wein reicht. Dass ich einfach allein bin in meinem Zimmer, Brot und Wein selbst nehmen muss. Und doch – mir persönlich gibt es ein Gefühl von Gemeinschaft. Dass ich die anderen auf meinem Bildschirm sehe, die das Gleiche tun. Irgendwie fühle ich mich doch mit ihnen verbunden. Und immerhin – das Abendmahl schmeckt tatsächlich freundlich.
Apropos miteinander verbunden: Zum Schluss kommt dann noch mein Wollfaden zum Einsatz. Ich halte ihn vor mich, so dass er einmal durch mein Kamerabild gespannt ist – und sich auf diese Weise mit dem Faden im Bild neben mir verbindet. Und so sind wir am Ende doch alle einzeln vorm Bildschirm, aber alle miteinander verbunden.

Sandra Golenia

Das Evangelium anders vermittelt

Christliche Podcasts

Während der Corona‐Krise versuchen viele Gemeinden neue Verkündigungsformen – und viele merken, dass es davon schon längst eine beträchtliche Anzahl gibt.
Dazu gehören auch Podcasts. Das sind, vereinfacht gesagt, Hörsendungen, die sich über den Computer, vor allem aber über das Smartphone abonnieren lassen. Anders als eine Radiosendung können sie dann zu einem beliebigen Zeitpunkt gehört werden. In der Regel handelt es sich nicht um Einzel‐ sendungn, sondern um Folgen, die regel‐ mäßig oder unregelmäßig erscheinen. Der aktuell sicher bekannteste Podcast ist das „Coronavirus‐Update” mit Christian Drosten.
Die christliche Podcast‐Szene ist nicht riesig, aber sehr lebendig. Viele Podcasts senden einfach Predigten oder beschäftigen sich mit der Bibel, daneben gibt es viele Gesprächs‐ oder Interview‐Podcasts zu allen möglichen Themen rund um den Glauben. Die folgende Auswahl ist nur klein und natürlich sehr subjektiv ...
Neueinsteiger*innen fallen deutliche Unterschiede zu Sonntagspredigten oder Gemeindevorträgen auf: Die Sprache ist anders (z.T. flapsig, z.T. derb, z.T. poetisch, je nach Podcast), die Hörer*innen werden geduzt.
Und vielleicht überraschend: Viele Folgen – gerade der jüngeren Podcaster*innen – überschreiten die Aufmerksamkeitsspanne des modernen Menschen bei weitem. Eine Dauer von mehreren Stunden ist keine Seltenheit. Hier wird also gnadenlos entschleunigt.
Das liegt unter anderem an ihrer Form. Es gibt journalistische Formate, die klar strukturiert sind und genauso gut im Radio gesendet werden könnten. Der Reiz vieler Podcasts besteht aber darin, dass sie Gespräche zwischen Freund*innen sind, die zwar vorbereitet sind, sich dann aber ungelenkt entwickeln. Da wird eine Viertelstunde völlig am Thema vorbei geredet, da nimmt das Gespräch schräge Wege, zuweilen wird gegessen und getrunken ...
Am einfachsten lassen sich Podcasts mit dem Smartphone abonnieren und hören, in der Regel kostenlos. Geeignete Apps sind entweder vorinstalliert oder lassen sich problemlos installieren. Spotify geht auch ...

Zum Einstieg ganz gut geeignet ist der Bibel‐ Podcast der ZEIT „Unter Pfarrerstöchtern” (14tägig, jeweils 30‐50 min.). Die Schwestern und Pfarrerstöchter Johanna Haberer (Theologie‐Professorin in Erlangen) und  Sabine Rückert (stellvertretende Chefredakteurin der Zeit) besprechen die Bibel Stück für Stück. Nach 14 Folgen sind sie inzwischen im 24. Kapitel des 1. Buch Mose angelangt. Also ein Langzeitprojekt ... Das ist bei Podcasts kein Problem, sie laufen gelegentlich über hunderte Folgen viele Jahre lang.

Einen ähnlichen Ansatz setzt „Offenbart” (wöchentlich, jeweils 45‐60 min.) ganz anders um. Verantwortlich sind der Hamburger Vikar Lukas Klette und der Berliner Sozialarbeiter Simon Mallow, beide Anfang 30 und Bartträger (deshalb der Name). Sie widmen sich nach ca. 80 Folgen Markus‐Evangelium seit 13 Folgen der Apostelgeschichte und sind nun im dritten Kapitel angekommen. Die Sprache ist im kirchlichen Kontext sicher gewöhnungsbedürftig und Abschweifungen sind Programm. Dafür sind die Denkanstöße sehr originell und das Ganze höchst unterhaltsam.

Ebenfalls biblische Geschichten behandeln viele Folgen von „Troja Alert” (1‐2mal jährlich, 1,5‐3 Stunden), einem Podcast über antike Mythen und Sagen. Speziell biblische Texte behandeln der Pastoralreferent Mark Bothe und der Professor für Soziale Arbeit Stefan Thesing, beide um die 40. Wie bei den „Pfarrerstöchtern” soll kein Glaube vermittelt werden (Stefan Thesing ist Atheist), es geht vor allem um die Frage: „Warum wird etwas erzählt – und warum so?”
Die beiden nehmen sich ebenfalls die Bibel von Anfang an vor und unterhalten sich über zentrale Texte, teilweise stundenlang. Inzwischen sind sie im 2. Buch Mose angelangt.
Dabei ziehen sie viele Parallelen zu antiken Mythen und Sagen, aber auch zur modernen Popkultur wie zu Star Wars, Herr der Ringe etc. Aus theologischer Sicht lässt sich sicher über manches streiten, dafür verlassen sie häufig höchst produktiv ausgetretene Pfade. Und gleichzeitig zeigen sie, wie wichtig die Bibel für die moderne populäre Kultur ist.

Hinter „Unter Pfarrerstöchtern” steckt geballtes theologisches und kulturwissenschaftliches Fachwissen, eine klarere Struktur. Bei „Offenbart” und „Troja Alert” steht das Gespräch stärker im Mittelpunkt. Wir bekommen weniger Wissen vermittelt, sondern sind zu Gast bei einem Gespräch zwischen Freunden über ein Thema, das sie interessiert. Beides hat großen Reiz und hohen Unterhaltungswert.

Um Kirche und Gemeinde aus katholischer Sicht geht es im Podcast „Gretchenfrage” (1‐2mal jährlich, 1‐2 Stunden). Auch hier ist Mark Bothe mit dabei, außerdem der Pastoralreferent Florian Giersch und seit der aktuellen Folge die Goldschmiedin Meike. In sehr unregelmäßigen Abständen werden aktuelle Themen diskutiert, in der Aprilfolge die Möglichkeiten von Kirche in der Corona‐Zeit. Im Mittelpunkt steht die Feier der Eucharistie mit und ohne Corona‐Beschränkungen. Gerade auch für Nicht‐Katholik*innen sehr hörenswert – und spannend in Verbindung mit dem, was Sandra Golenia oben auf dieser Seite über digitales Abendmahl schreibt.

Die (evangelischen) „Netztheologen” (monatlich, ca. eine Stunde) beleuchten christliche Themen aus einer dezidiert technischen Perspektive. Als „ein Nerd und ein Theologe” (so ihre Selbstbezeichnung) diskutieren Chris und Roman zum Beispiel, ob das Alte Testament oder auch die ganze Kirche „open source” sind bzw. sein sollten, oder welches Menschenbild hinter Fitness‐Trackern steckt.

Ein Interview‐Podcast über neue Formen von Kirche (aller Konfessionen) ist „frischetheke” (14-tägig, ca. eine Stunde). Katharina Haubold und Rolf Krüger sind „auf der Suche nach der Kirche von morgen”. Sie interviewen Menschen überall in Deutschland, die für „Fresh Expressions of Church” stehen.
In der aktuellen Folge ist das Jonas Bedford‐Strohm, Innovationsmanager beim Bayrischen Rundfunk (und Sohn des EKD‐Ratsvorsitzenden). Während der Corona‐Zeit stellt „frischetheke” viele kurze Folgen (10‐20 min.) ins Netz, die Christen in ganz Europa und ihren Umgang mit den Corona‐Beschränkungen vorstellen.

Manuel Kronast

Zurück zum Seiteninhalt