Titelthema - Stühle II - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Stühle aus Holz oder aus Stahl?

Nachhaltigkeit und Klimawandel

Vermutlich werden die meisten Menschen Stühle aus Holz irgendwie schöner finden. Das Material fühlt sich „wärmer“ an als Stahl und es ist auch leichter. Der Sitzkomfort hängt dabei weniger vom Material als von der Gestaltung ab.
In der heutigen Zeit des „Waldsterbens 2.0“ könnte es aber sein, dass bei manchen Menschen Bedenken aufkommen, weil für die Gewinnung von Holz Bäume gefällt werden müssen. Daher soll an dieser Stelle von einem fachkundigen Autor erläutert werden, welche Aspekte bei solchen Materialentscheidungen aus ökologischer Sicht zu bedenken sind.
Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der zumindest in Mitteleuropa seit Jahrhunderten nach dem Prinzip der „Nachhaltigkeit“ bewirtschaftet wird, so, dass „unsere Nachkommen mindestens ebenso viel Nutzen vom Wald haben wie wir“ (so Hans Carl von Carlowitz schon 1713).
Heute wird ständig von „Nachhaltigkeit“ geredet, ohne dass den Menschen die Kernaussage dieser jahrhundertealten forstlichen Handlungsmaxime wirklich klar ist: Aktivitäten, die irgendwelche Ressourcen in Form von Rohstoffen oder Energieträgern unwiederbringlich verbrauchen, können nach diesem Prinzip gar nicht „nachhaltig“ sein! Das heißt, entweder müssen diese Ressourcen in dem Maße nachwachsen, in dem sie verbraucht werden, oder sie müssen zu 100 Prozent recycelt werden können.
Letzteres erfordert aber meistens einen großen Energieaufwand, der selten durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Das gilt zum Beispiel für Stahl! Das Rohmaterial ist Eisenerz, das bei uns größtenteils aus Brasilien stammt. Dort wird es auf gerodeten Urwaldflächen (!) im Tagebau abgebaut und mit hohem Energieaufwand zu Stahl verhüttet. Auch zum Einschmelzen von Recyclingstahl ist ein hoher Energieaufwand erforderlich.
Holz dagegen wächst im Wald ausschließlich auf der Basis von Sonnenenergie, Regenwasser und Nährstoffen aus dem Mineralboden und dem „Recyclingmaterial“ in der Streuauflage. Wenn Sie z.B. auf dem Benther Berg wandern, befinden Sie sich in einer „Holzproduktionsstätte“, die schon seit mehr als 13.000 Jahren den Anwohnern dient, ihren Bedarf an Bau- und Brennholz sowie an Holzkohle zu decken.  Bis vor etwa 200 Jahren war Holz der wichtigste Rohstoff und Energieträger bei uns. Dadurch kam es aber vielerorts zu Übernutzungen, die in Norddeutschland großflächige Heideflächen und im Extremfall Wanderdünen (z.B. im Allertal) entstehen ließen.
Die dramatische Situation war damals der Anlass, das Prinzip der Nachhaltigkeit zu entwickeln und einzuführen.  Natürlich wird für das Fällen und dann vor allem für den Transport der Bäume zur weiteren Bearbeitung im Sägewerk und dann z.B. in der Möbelfabrik auch Energie verbraucht. Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Menge, die benötigt würde, um das gleiche Produkt aus Stahl (oder Kunststoff) herzustellen. Zudem fällt im Zuge der Holzbearbeitung immer viel Restholz an, das vielfach als erneuerbarer Energieträger z.B. für die Holztrocknung eingesetzt wird.
Sorgen bereitet aber nun das „Waldsterben 2.0“, das jetzt nicht wie das erste „Waldsterben“ vor 40 Jahren durch „sauren Regen“ aus Kraftwerksabgasen verursacht wird, sondern durch den zunehmend deutlichen Wandel des Klimas. Am Benther Berg kann man bisher vor allem den Verlust von Fichtenbeständen (z.B. gegenüber des „Jägerheims“) beobachten, die nach den starken Holzeinschlägen im und nach dem zweiten Weltkrieg in den sechziger Jahren gepflanzt worden waren.  Durch die heftigen Stürme waren sie in den letzten Jahren stark geschädigt und nun auch durch Dürre und Borkenkäfer weiter angegriffen worden, sodass sie etwa 40 Jahre vor ihrer eigentliche Erntereife geräumt wurden. Das Holz ist wegen des Überangebotes an „Schadholz“ kaum und nur zu sehr geringen Preisen verkäuflich, sodass die privaten Waldbesitzer dadurch erhebliche Einbußen erleiden.
Hochwertige Stühle werden zumeist aus Buchenholz hergestellt. Die Buche ist die Baumart, die auf den meisten Standorten in Deutschland von Natur aus wächst. Auf dem Benther Berg ist sie auch heute noch dominant. Doch auch sie ist dort schon von Sturmschäden betroffen und leidet mancherorts auch an den zwei Dürrejahren in Folge.  Das ist wirklich besorgniserregend, denn das heißt, das auch naturnaher Waldbau im Klimawandel keine Sicherheit bietet. So wird der Anfall von Holz aus geschädigten Waldflächen wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren große Teile des Angebotes stellen und allein deshalb sollte man bei der Wahl des Rohstoffes nicht auf umweltschädliche Alternativen ausweichen.
Natürlich bedroht der Klimawandel auch die Nachhaltigkeit der Waldnutzung. Derzeit wird der Holzeinschlag in gesunden Beständen auf die Schadflächen konzentriert und versucht, die Holzproduktion durch Neuanpflanzungen zu sichern. Das Problem ist nur, dass man jetzt kaum noch weiß, wie das Klima sich ändert und welche Baumarten dann in den nächsten 100 Jahren dazu „passen“.

Ernst Kürsten, Dr. der Forstwirtschaft


Vor zwei Jahren entwurzelte ein Sturm dicke Buchen am Benther Berg . Aus solchem Holz können auch Stühle gemacht werden. (Foto: Ernst Kürsten)


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