Buchbesprechung - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Biodiversität - Buchbesprechung

Komm raus, Entdeckermaus!
Ein Bilderbuch über die Wunder der Natur von Tereza Vostradovskä

Die Recherche ist, im Gegensatz zu ihrer bisherigen Stubenhockertätigkeit, empirisch. Die Maus schaut sich zunächst noch unter der Erde, „Rund um den Mäusebau" um, wo sie allerlei Kriechgetier entdeckt, das sich, wie sie einmal gehört hat, sogar verwandeln kann.
Die Larven, Regenwürmer und Tausendfüßler sind auf den großformatigen Seiten im Querschnitt der Erde genauso zu sehen, wie die Wurzeln der Pflanzen, die am oberen Bildrand aus dem Boden ragen.
Tiere und Pflanzen sind mit Zahlen versehen, die unten auf den Seiten eine Liste mit ihren Begriffsentsprechungen finden.
Eine kleine Maus mit einem riesigen schergeist sitzt in ihrem Nest und liest Bücher über „Luftfahrt, die Tiefsee über den Radsport" - Sachbücher eben.
Doch eines Tages wird es ihr zu eng ihrem unterirdischen Mausehaus, denn wachsen lauter kleine Wurzeln durch Decke und rauben ihr den gemütlichen Platz. Das ist der Anlass für sie, ihren zu verlassen, um herauszufinden, woher die Wurzeln kommen. Da sie kein Buch das ihr solche Fragen beantworten kann beschließt sie, die Antworten selbst zu suchen.
Diese Bildgestaltung findet sich auf vielen Seiten, so auch wenn die Maus später den Wald, den Teich und den Garten erforscht. Doch sie begnügt sich nicht mit bloßer Beobachtung. Sie experimentiert auch herum und schreibt all ihre  Ergebnisse auf. So erfährt die kindliche Leserschaft (und ebenso die vorlesenden Erwachsenen), wie man ein Herbarium anlegt oder wie man Kräuter anpflanzt. Anschaulich wird gezeigt, wie man Käfer oder Wassertiere zu Beobachtungszwecken einfangen kann (natürlich lebendig, um sie später wieder frei zu lassen). Verschiedene Baumsamen, Vogelfedern und -stimmen, die Nahrungskette oder die Altersbestimmung von Bäumen sind ebenfalls Thema.
Diese Maus ist so wissbegierig wie unsere Kinder und hat am Ende der Geschichte selbst das Buch geschrieben, das sie am Anfang gern gelesen hätte.
Kinder von vier Jahren aufwärts können an dem liebevoll gemalten und mit Wissen gefülltem Buch mit Freude viel lernen und bekommen vielleicht Lust, es der Maus gleichzutun und die Natur mit eigenem Forschergeist zu untersuchen - sie liegt direkt vor der eigenen Haustür (oder dem eigenen Mäusebau).

Text: Britta Füllgrabe
Fotos: Vostradovskä/cbj

Komm mit raus, Entdeckermaus!
Ein Bilderbuch über die Wunder der Natur, von Tereza Vostradovskä. Cbj Kinder- und Jugendbuchverlag. 15 Euro.




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Buchbesprechung - „Crossroads" von Jonathan Franzen

Das aktuelle Buch des amerikanischen Autors Jonathan Franzen widmet sich den Abgründen einer Pastorenfamilie in den 70er Jahren und spielt in einem Vorort von Chigaco.
„Crossroads" - übersetzt Kreuzung oder Scheideweg - ist nicht nur der Name der Jugendgruppe der protestantischen Gemeinde, der Russ Hildebrandt, Pastor und Familienvater, vorsteht, sondern auch bildlich der Scheideweg, an dem Russ, seine Frau Marion und ihre vier Kinder Clem, Becky, Perry und Judson stehen. Die Geschichte wird abwechselnd aus ihren Perspektiven erzählt.
Russ Hildebrandt hat den Draht zu den Jugendlichen verloren und leidet darunter, wie der neue, jüngere Leiter der Jugendgruppe die Jugendlichen, darunter auch Becky und Perry, mit seinen neuen Therapiemethoden mitreißt und begeistert. Das verstärkt seine schwelende Midlife- und Ehekrise. Er verliebt sich in eine jüngere Frau, die als alleinerziehende Witwe gerade neu in die Gemeinde gekommen ist und bei ihm Rat sucht. Eine Gruppenfahrt nach Arizona, in ein Reservat der Navajos, für die sich Russ seit Studienzeiten einsetzt, steht bevor.
Seine Frau Marion befindet sich in Therapie, um Ereignisse, die vor ihrer Ehe mit Russ stattfanden, zu verarbeiten. Der älteste Sohn Clem will sein Studium abbrechen, um nicht von dem Privileg des „weißen" Studenten zu profitieren, dem Wehrdienst im Vietnamkrieg zu entgehen, weiß aber, dass er damit seine pazifistische Familie vor den Kopf stößt. Der 15jährige, brillante Schüler Perry verachtet die Scheinheiligkeit und Schwäche seines Vater und dealt nebenbei mit Drogen.

Jonathan Franzen, dem 2013 für sein Gesamtwerk der WELT-Literaturpreis verliehen wurde, ist mit „Crossroads" wieder ein großartiger Familienroman über Moral, Religion und Vergebung gelungen. Er zeichnet nicht nur ein Bild der religiösen Landschaft der USA, sondern auch ein gesellschaftliches Bild der Spaltung, das sich schon in den 70er Jahren abzeichnete. Die Geschichte fesselt bis zum relativ offenen Ende, das auf eine Fortsetzung, neugierig macht, denn Crossroads soll der Beginn einer Trilogie sein.

Das Buch ist letztes Jahr in deutscher Übersetzung im Rowohlt Verlag erschienen und umfasst fast 800 Seiten. Inzwischen ist es auch als Taschenbuch erhältlich.

Text: Christine Wismer
Foto:Rowohlt

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