Pfingsten – 31. Mai 2020
Predigt: Pastor Manuel Kronast
Gesegnete Pfingsttage
wünschen wir Ihnen mit diesem Predigtgruß!
Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist!
So beginnt eines der Wochenlieder für den Pfingstsonntag. Der Predigttext des diesjährigen Pfingstsonntags (Apostelgeschichte 2,1-21) beschreibt, wie es aussieht, wenn der Heilige Geist kommt:
Es ist zehn Tage nach Himmelfahrt, die Jüngerinnen und Jünger fühlen sich von Jesus und Gott verlassen. Sie bleiben zu Hause, gehen nicht hinaus in die Stadt, wo gefeiert und in allen Sprachen gesungen wird. Sie wagen sich nicht vor die Tür.
Dann aber werden sie von Gottes Geist erfasst, er kommt in Sturm und Feuerflammen. Sie öffnen die Türen, strömen ins Freie, verkündigen das Evangelium, taufen und heilen. Die Geschichte der Kirche hat begonnen.
Bild: Evangelistar St. Peter, um 1200, Badische Landesbibliothek Karlsruhe
In einem Evangelistar vom Anfang des 13. Jahrhunderts gibt es dazu ein Bild. Aber der Maler, ein Benediktinermönch, illustriert nicht die ganze Geschichte. Er nimmt sich eine einzelne Szene vor, die er eigenwillig auslegt.
Wie in der Apostelgeschichte beschrieben, sitzen die Jünger in einem Haus. Aber in keinem Haus, wie wir es im ersten Jahrhundert in Jerusalem gefunden hätten, sondern in einer mittelalterlichen Burg. Die Jünger sind in Sicherheit, es ist aber auch ziemlich eng. Einige von ihnen halten die Heilige Schrift in der Hand, aber niemand liest darin. Sie unterhalten sich nicht, sondern blicken stumm in die Gegend oder nach oben.
Wie Fischer, Handwerker oder Zöllner aus Palästina sehen sie nicht aus, sondern so wie sich ein
Benediktinermönch im elsässischen Weißenburg um 1200 n.Chr. weise und verdiente Männer vorgestellt hat. Außerdem sind es nicht zwölf Jünger, sondern 13. Der Mönch hat einfach Paulus dazu gemalt, der in Wirklichkeit erst einige Jahre später zur Gemeinde stößt.
Von oben - durch das Dach der festen Burg hindurch - stößt aus einer Wolke eine Taube. Sie sendet blutrote Strahlen aus; wo sie die Jüngerköpfe berühren, bilden sich bescheidene und gemäßigte Flammen. Diese Taube steht natürlich für den Heiligen Geist, aber er kommt nicht im Sturm. Er kommt höchstens in der Ruhe vor dem Sturm. Trotzdem ist klar: Es wird so nicht weitergehen, der Heilige Geist wird Neues entstehen lassen. Aber was?
An dieser Stelle lässt uns der Maler mit dem Bild allein.
Wir können weiterdenken oder weitererzählen. Vielleicht genau so, wie es in der Apostelgeschichte erzählt wird, vielleicht ganz anders. Vielleicht für die Zeit des Mönchs oder für unsere Zeit.
Was ging dem Maler selbst wohl durch den Kopf, beim Malen hinter sicheren Klostermauern in der reichen Abtei?
Vielleicht: Dicke Mauern sind nicht die Zukunft der Kirche, wir müssen da raus!
Vielleicht ist das sein Antrieb, wenn er die Mauern verlässt: im Gebet oder zur Arbeit, zum Unterrichten oder Missionieren, zum Heilen oder Ackern.
Vielleicht (wenn auch historisch wenig wahrscheinlich) wollte er illustrieren: Eine Kirche aus weißen weisen Männern hinter festen Mauern ist zu eng gedacht. Sie muss sich öffnen für Frauen und Kinder, Schwache und Starke, Eingesessene und Hergelaufene, Städtebauerinnen und Freigeister, Gelehrte und Seeleute, Nonnen und Politiker, die ganze Welt.
Ich finde es sehr spannend, dass dieser namenlose Mönch die Ruhe vor dem Sturm malt. Nicht die begeisternde Predigt des Petrus vor den Türen des Hauses. Nicht die vielen Menschen, die an diesem Tag zum Glauben kommen und sich taufen lassen.
Nein, dreizehn Männer, die ihre Bücher bei sich haben, sicher im Glauben stehen und doch so fest in ihren Mauern eingezwängt sind, dass es nur einen kleinen Funken braucht, damit sie explodieren, ihre Mauern sprengen, hinausziehen, andere begeistern und das Alte, Gesicherte, Leblose hinter sich lassen. Er hat den Augenblick gemalt, in dem alles möglich ist.
Das Wunderbare: Es ist immer wieder alles möglich. Wir können die Geschichte für uns weiterdenken und weiterleben.
Wo kommen wir denn da hin, wenn der Geist uns entzündet?
Wenn sich Türen öffnen und Mauern durchlässig werden. Wenn wir blinzelnd ins Freie treten, uns ins Leben mischen und die Gotteskraft weitertragen.
Der Glaube ist unser fester Boden. Der Heilige Geist lässt uns darauf tanzen.
Begeisternde Pfingsttage wünscht
Manuel Kronast
DAS ZWEITE WOCHENLIED DES PFINGSTSONNTAGS
Atme in uns, Heiliger Geist, brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist, Atem Gottes, komm!
Komm, du Geist durchdringe uns. Komm, du Geist, kehr bei uns ein.
Komm, du Geist, belebe uns, wir ersehnen dich!
Komm, du Geist der Heiligkeit, komm, du Geist der Wahrheit!
Komm, du Geist, belebe uns, wir ersehnen dich!
Komm, du Geist, mach du uns eins, komm, du Geist, erfülle uns!
Komm, du Geist, und schaff uns neu, wir ersehnen dich.
Atme in uns, Heiliger Geist, brenne in uns, Heiliger Geist,
wirke in uns, Heiliger Geist, Atem Gottes, komm!
(Thomas Csanády / Roger Ibounigg 1985)