Aktuelles Thema - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Thema: Gemeinsam statt einsam

Jubilate – Wie wird man glücklich?

Für den Sonntag „Jubilate“ (21. April 2024) hatten wir vom Team „Zwischen Tee und Tatort“ uns das passende Thema vorgenommen: Was macht uns Menschen glücklich? Diese Frage bewegt die Menschheit seit Jahrtausenden und wir suchten Antworten durch eine Umfrage unter den Besuchern und Besucherinnen des Gottesdienstes und durch die theologischen Ausführungen im Rahmen der Predigt.
Gleich beim Eintritt in die Kirche konnten die Anwesenden durch das Kleben von Punkten auf eine Skala ein Stimmungsbarometer“ erzeugen. Das Ergebnis war schon mal recht positiv! Auf die Frage, was sie zuletzt besonders glücklich gemacht habe, erwähnten die Meisten soziale Kontakte (Besuch der Enkelin, nette Geburtstagsfeier, Treffen mit Freunden) oder auch die Schönheit der Natur (herrliches Wetter, schöne Blumen). Für mich war auffällig, dass da nichts dabei war, was in erster Linie finanziell oder materiell begründet war.
Aber wenn es einer Person richtig schlecht geht, sei es wegen Krankheit, Einsamkeit, Armut usw., dann kann sie manchmal auch keine Freude mehr an der Gesellschaft anderer Menschen oder den Schönheiten der Natur empfinden. Dann helfen auch Aufforderungen in der Bibel nicht weiter, die Pastor Johannes Rebsch in seiner Predigt zitierte:

  • „Freuet euch des Herrn und seid fröhlich, ihr Gerechten, und jauchzet, alle ihr Frommen.“
  • Oder der für diesen Sonntag namensgebende Psalm: „Jauchzt dem Herrn alle Lande“
  • Oder Paulus: „Freuet euch im Herrn und abermals sage ich euch: Freuet euch!“

Zur Freude aufzufordern sei nicht gerade eine überzeugende Anleitung, sagte er. Freude gehe nicht auf Kommando, sie brauche einen Grund. Klar, in der Foto-Session könne man der Aufforderung „Bitte lächeln“ folgen. Aber das sei ja nicht Freude. Freude, Glücklichsein liege tiefer als das, was ich jemandem am Gesicht, am rein Äußeren ablese.  Da sei zu unterscheiden zwischen etwas Vorübergehendem und etwas Grundsätzlichem. Da sei ein Unterschied, ob ich mich über das gewonnene Fußballspiel freue oder ob ich im Grunde glücklich bin. Zufrieden.

Weiter führte Johannes Rebsch aus:
„Sich freuen“ ist eine reine Emotion. Sie kommt und geht auch wieder vorüber. Und es wäre wahrscheinlich auch gar kein wünschenswerter Dauerzustand. Aber glücklich sein, Zufriedenheit, so eine grundsätzliche Lebensfreude, die kann ich auch haben, wenn mir mal nicht zum Lächeln zumute ist.

Und ich bin sicher, darum geht es auch Paulus, wenn er auffordert „freuet euch!“ Da geht es nicht um Glück haben im Sinne eines Zufallstreffers, sondern eher um Glücklichsein. Ein Lebensglück, das es aushält, wenn die glücklichen Zufallstreffer ausbleiben. Oder sogar genau dann trägt: Jesus beginnt die Bergpredigt mit den Seligpreisungen z.B. „Selig sind die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.“ Und dann werden noch eine Menge Gruppen aufgezählt, die nach unseren Maßstäben alles andere als Glück haben.

Also was ist eigentlich das Glück im Sinne des Glücklichseins? Wo kommt es her? Und wo finde ich es? Das ist eine Frage, mit der sich die Philosophie schon seit Jahrtausenden beschäftigt. Und es gibt einen ganzen Haufen unterschiedlicher Antworten.

Die einen sagen: Der Weg zum Glück sind Lust und Genuss. Lust maximieren. Genießen – das ist der Sinn des Lebens.
Die Antwort hat nicht allen gereicht, denn es folgten viele andere Versuche:

  • Begierden und Vernunft müssen in Einklang gebracht werden. Glück gibt es nur im Gleichgewicht des vernünftigen, tugendhaften Lebens.
  • Andere behaupten: Glück liegt im Verzicht.

Und das sind bei weitem nicht alle. Neben den Philosophien gibt es dann noch die Ratgeber und Weisheiten z.B. diese aus den Glückskeksen:

  • „Die Mitte der Nacht ist auch schon der Anfang eines neuen Tages“ ‒ das ist die sprichwörtliche Variante von „Alles wird gut“.
  • Oder: „Konzentrier dich nicht so viel auf andere.“
  • Oder: „Lass öfters deine Seele baumeln.“

Interessant ist, dass diese Ideen, Weisheiten und Ratschläge alle eine Gemeinsamkeit haben: Sie reagieren auf die Frage: Was kann ich für mein Glück tun? Und sie gehen davon aus, dass ich mein Glück irgendwie selbst realisieren kann. Ganz nach dem Motto: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“

Die Bibel ‒ und sie ist damit nicht ganz alleine ‒ geht einen anderen Weg und behauptet das Gegenteil oder schlicht: Die Frage ist falsch! „Wo und wie finde ich Glück“ ist die falsche Frage. Sie führt zwangsläufig auf den Holzweg.

Paulus schreibt nach seiner Aufforderung zur Freude folgendes: „Freuet euch im Herrn und abermals sage ich euch: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“
„Eure Güte lasst kund sein allen Menschen!“

Das ist missverständlich ‒ Güte kund sein lassen meint nämlich bestimmt nicht: davon reden. Gütig ist nicht, wer es behauptet, sondern wer so handelt, wer so
lebt. Güte bezieht sich immer auf Andere. Nach Paulus kann man Glück nicht für sich selbst finden – Glück findet nur, wer es für andere sucht. Die richtige Frage ist also nicht „Wie finde ich Glück?“, sondern wie finde ich es für andere, für die Gemeinschaft.

Und damit ist nicht gemeint, ständig und bei jeder Gelegenheit zurückzustecken und sich klein zu halten.

Es geht nicht um „Selbstaufgabe“, sondern um Aufgabe der Selbstzentriertheit und Aufgabe der Selbstbezogenheit. Nicht sich verleugnen, aber sich aus dem Mittelpunkt nehmen. Es geht nicht um mich.
Paulus schreibt weiter: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus.“ (Phil 4,4-7). Friede, das ist der Glücksbegriff der Bibel. Shalom.

Das ist bei weitem nicht nur politischer Friede. Shalom ist Heil auf allen Ebenen. Ein Zustand der Versöhnung zwischen Menschen und Natur, zwischen Mensch und Mensch und zwischen Mensch und Gott. Besser könnte man Glück vielleicht gar nicht treffen.

Sich für das Wohl anderer Menschen und damit der Gesellschaft zu engagieren, sei es hauptberuflich, ehrenamtlich oder in der Familie scheint danach der Weg zum Glück zu sein. Freude säen und Dankbarkeit ernten macht sicherlich glücklich. Die Ehrenamtlichen in der Kirchengemeinde erleben das öfters: Wir vom „Tee und Tatort“-Team freuen uns, wenn wir die Gemeinde erfreuen können und den Aktiven der „Suppengruppe“ verschafft es Befriedigung, wenn ihre Arbeit in der Küche nicht nur zur Sättigung sondern auch zu einem netten Beisammensein der Anwesenden führt (siehe Foto).



Gemeinsame Mittagssuppe im Gemeindehaus: alle vier Wochen nette Menschen treffen und gemeinsam das Essen genießen (siehe hier)!

Dr. Ernst Kürsten
Foto: privat

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Die Heldinnenreise: verbunden statt isoliert

Über achtzig Prozent der Deutschen träumen davon, ein Buch zu schreiben (1). Ich bin eine davon. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, eine Geschichte zu erzählen, ob nun erlebt oder erfunden.
Man kann zunächst einfach drauflos schreiben. Aber irgendwann kommt man an den Punkt, an dem die Geschichte eine Struktur braucht. Als ich an diesen Punkt kam, stieß ich auf die Heldinnenreise.

Das Buch „The Heroine’s Journey“ (Die Heldinnenreise) gibt es bisher nur auf Englisch. Verfasst hat es die New York Times Bestsellerautorin Gail Carriger, die vor allem fantastische Liebesromane schreibt. Ich kenne ihre Bücher nicht und schreibe auch nicht in diesem Genre, doch was sie auf unterhaltsame Weise über die Heldinnenreise zu sagen hat, ist aus meiner Sicht für jede*n interessant, der*-die vorhat, ein Manuskript fertig zu bekommen ‒ und birgt sogar Erkenntnisse über das Leben, so wie es Geschichten im Idealfall auch tun sollten.

Bevor man sich mit der Heldinnenreise befasst, schaut man sich am besten die ihr gegenüberstehende Heldenreise an. Wie so oft gibt es nämlich auch hier einen vermeintlich männlichen Standard, von dem die vermeintlich weibliche Version abweicht. Vermeintlich, weil es egal ist, welches Geschlecht die Hauptfigur der Geschichte hat. Viele Sagen und Mythen folgen der Struktur einer dieser beiden Reisen, und darin erlebt klassischerweise ein Mann die Heldenreise und eine Frau die Heldinnenreise. Daher die Begrifflichkeiten.

Carriger treibt die Struktur der Heldenreise, die übrigens der Amerikaner Joseph Campbell formulierte, in einem Satz auf die Spitze: „Increasingly isolated protagonist stomps around prodding evil with pointy bits, eventually fatally prods baddie, gains glory and honor.“ (2) (frei übersetzt: „Ein zunehmend isolierter Protagonist stapft umher und piekst das Böse mit spitzen Gegenständen, bringt am Ende den Bösewicht um und erlangt Ruhm und Ehre.“) Die spitzen Gegenstände wie auch der Bösewicht sind dabei oft wörtlich zu nehmen, können jedoch genauso gut im übertragenen Sinne gemeint sein. Manchmal ist die feindliche Macht ein innerer Makel des Helden. Das trifft auch auf die Heldinnenreise zu. Deshalb lassen sich beide Strukturmodelle nicht nur auf Mythen, Märchen und Fantasy anwenden, sondern auch Welten, die der unseren ähnlich sind.

In aller Regel fordert ein Ereignis den Helden wie auch die Heldin, oft gegen den eigenen Willen, auf, sich auf eine tatsächliche oder metaphorische Reise zu begeben, auf der er*sie immer wieder scheitern wird, bis er*sie sich nach und nach von allem frei macht, das ihn*sie am Erfolg hindert. Bei der Heldenreise bedeutet dies, sich von der eigenen Umwelt zu isolieren. Am Ende steht der Held als Gewinner da, doch wie Carriger hervorhebt, ist er ein einsamer Held, denn trotz Mentoren, die ihn beraten oder Begleitern, die mit ihm für das Gute kämpfen, ist er in seinem letzten Kampf allein und steht demzufolge auch allein auf dem Siegertreppchen. Von Odysseus und Herakles bis hin zu Wonder Woman und Luke Skywalker, sie alle haben diese Heldenreise durchlaufen.

Manche behaupten, die Heldenreise lasse sich auf jede Geschichte anwenden, doch Carriger zeigt, dass die Heldinnenreise sich entscheidend von ihr abhebt. Dabei ist sie keine Erfindung der heutigen Zeit, denn mit Beispielen wie Isis aus der ägyptischen oder Demeter aus der griechischen Mythologie ist sie nicht jünger als ihr bekannterer Bruder.

Was die Heldinnenreise von der Heldenreise abgrenzt, zeigt sich wieder in einem Satz aus der Einleitung:
„Increasingly networked protagonist strides around with good friends, prodding them and others on to victory, together.“(3) (frei übersetzt: „Eine zunehmend vernetzte Hauptfigur spaziert mit guten Freund*innen umher und treibt sie und andere zum gemeinsamen Sieg an.“)
Carriger sieht Harry Potter als ein Vorzeigebeispiel für diese Art von Geschichte an:an seinen Tiefpunkten ist er stets einsam, doch (Etappen-)Siege erringt er immer in Verbundenheit mit anderen. Den Triumph, den eine Heldin am Ende feiert, teilt sie mit ihren Freundinnen und die Lösung ihres Problems ist nicht das Ausschalten des (tatsächlichen oder metaphorischen) Feindes, sondern ein Kompromiss. Das ist mir nicht nur sympathisch, sondern fühlt sich für mich viel lebensnaher an.

Was Carriger nach der Vorstellung beider Reisen schreibt, ist aus meiner Sicht das eigentlich Interessante. Warum, fragt sie beispielsweise, ist die Heldinnen reise als Konzept so viel weniger bekannt als die Heldenreise? Warum wird sie sogar häufig belächelt, ist sie doch die Grundlage für das Genre des Liebesromans, der gern als „Frauenroman“ abgewertet wird?
Warum tendieren wir dazu, Geschichten als wertvoller einzustufen, wenn sie Isolation glorifizieren, anstatt dafür zu werben, dass sich die Charaktere gegenseitig unterstützen?

Möglicherweise ist dieser Umstand ein Spiegel dessen, was heute als Individualisierung unserer Gesellschaft kritisiert wird. Vielleicht kann die Heldinnenreise uns bereichern, indem sie uns zeigt, dass wir keine Einzelkämpfer sein müssen, um als Heldinnen, egal welchen Geschlechts, hervorzugehen.
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(1) Zimmermann, Antje. Von der Buchidee zum Verlagsvertrag. https://www.piper.de/in-sechs-einfachen-schritten-zum-eigenen-roman. Letzter Zugriff 13.05.2024.
(2) Carriger, Gail. The Heroine’s Journey. GAIL CARRIGER LLC 2020. S. xii.
(3) Ebd.

Text und Foto: Britta Füllgrabe
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