Wunder-voll - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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Wunder-Voll

Das Beste waren die Wunder!
Kinderbibel lesen im Selbstversuch

Kurz nach Ostern kam mein siebenjähriger Sohn zu mir und fragte: „Mama, warum wurde Jesus eigentlich umgebracht?“
Ich fand es schwierig, in kindgerechten Worten zu erklären, was zu der Kreuzigung eines Menschen geführt hatte, der so viel Gutes getan hatte. Es hatte etwas mit der Angst der Mächtigen zu tun. Aber den genauen Hergang, fiel mir auf, konnte ich auch nicht aus dem Ärmel schütteln. Also schlug ich ihm vor, zusammen in der Kinderbibel nachzulesen.
Meine eigene Kinderbibel fand ich leider nicht mehr. Sie war aber längst nicht so umfangreich, wie die, die ich im Kinderzimmer im Bücherregal entdeckte (übernommen aus dem Fundus unserer Nachbarn): 352 Seiten. Ich blätterte ein wenig darin herum und las hier und da eine Geschichte an, hielt sie für gut geschrieben und altersgerecht, und schon legten wir los. Wir vergaßen vorerst unseren Beweggrund, die Ostergeschichte zu ergründen, und begannen ganz am Anfang.

Schon die Schöpfungsgeschichte und die Sache mit Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis zogen uns in ihren Bann. Wann immer ich eines der ein bis zwei Seiten langen „Kapitel“ durch hatte und eine Atempause machte, rief mein Sohn: „Weiter!“ Also las ich. Wenn noch Zeit war, sogar morgens vor der Schule, sonst am Nachmittag oder abends im Bett. Wir waren beide gefesselt von den Geschichten, die dieser „größte Bestseller der Welt“ zu erzählen hatte. An vieles erinnerte ich mich noch von früher, aus dem Religions unterricht, den ich sehr gemocht hatte, eben weil er voll von Geschichten war. Das Alte Testament war allerdings keine leichte Kost. Ein einziges Gemetzel, Rache hier und Strafe da, und Gott, ganz vorne mit dabei, bestrafte die Menschen aus Eifersucht oder Frustration über ihr unmoralisches Benehmen oder stellte sie auf harte Proben. Die Menschen zogen ein über das andere Mal gegeneinander in den Krieg und brachten sich, oft mit besonderer Brutalität, gegenseitig um. Da musste ich schon so manches Mal schlucken, wenn wieder einmal jemand geköpft oder erstochen wurde.
Aber ich hatte schon im Vorwort des Verfassers bzw. Nacherzählers gelesen: „Meiner Auffassung nach ist es unnötig, Kindern eine übervorsichtig bearbeitete und sentimental aufbereitete Version der Bibel vorzulegen. Sie sind sehr wohl in der Lage, ihre eigenen Einsichten, Fragen und Reaktionen aus diesen Geschichten zu entwickeln.“ Eine Meinung, die ich teile.
In unserer Bibel für Kindergartenkinder war nicht einmal erwähnt worden, dass Jesus getötet worden war. Schwierig, die Ostergeschichte zu erzählen, wenn man dabei ihren Höhepunkt weglässt. (Auch wenn man sicherlich je nach Alter des Kindes einen Unterschied in der Erzählweise machen muss).
Neben all dem Gemetzel gefiel es mir aber, wie menschlich die Menschen in der Bibel dargestellt werden. Menschen machen nun einmal ständig Fehler. Manchmal auch richtig dumme, wie Simson, der vor lauter Verliebtheit seiner Geliebten verrät, dass er all seine Kraft verlöre, wenn man ihm das Haar schneide, was dann natürlich
prompt passiert. Glücklicherweise wächst die Mähne später nach und mit ihr kehrt die Kraft zurück, mit der Simson allerdings, nach alter Rachemanier, seine Peiniger – und sich selbst gleich mit – in den Tod stürzt.
Da mein Sohn sich seit etwa einem Jahr ebenfalls die Haare langwachsen lässt, sagte ich scherzhaft zu ihm, wenn er mal gefragt werde, könne er antworten, dass er sie wachsen lässt, weil die Kraft Gottes darin steckt. „Also, wenn du an Gott glaubst“, fügte ich hinzu, denn das muss ja jede*r selbst für sich sagen. „Natürlich glaube ich an Gott“, antwortete er. Ich hoffte, er tat es nicht nur aus Furcht vor dem Jähzorn des Gottes aus dem Alten Testament.
Doch bald kamen wir beim Neuen Testament an, in dem uns ein sehr viel freundlicherer Gott begegnete, und erinnerten uns an unsere Ausgangsfrage. Es half ungemein, die ganze Geschichte Jesu zu lesen, um die Entwicklung zu verstehen, die zu seinem Tod geführt hatte. Auch wenn es schrecklich war, mitzuverfolgen, wie der Mob Jesus mit haltlosen Anschuldigungen und Erpressungsmethoden niedermachte. Schnell las ich noch die Szene mit dem offenen Grab, die gleich an die Kreuzigung anschloss, um den Tag auf einer hoffnungsvollen Note zu beenden.
Nach rund fünf Wochen hatten wir den Schinken durch – und uns von Anfang bis Ende gut unterhalten gefühlt. Am Ende fragte ich: „Und, was fandst du am besten?“ – „Die Wunder, die Jesus vollbracht hat.“ – „Gibt es eine Stelle, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?“ „Ja“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Da ist einer, der nicht laufen kann. Und Jesus sagt, er könne ihm jetzt sagen, er solle aufstehen und gehen. Und die Leute sagen: Mach doch! Also macht er es. Und der steht auf und geht.“ Die Geschichte findet sich gleich drei Mal in der Originalfassung. Wirklich eine gute Stelle, denn sie hat etwas von einem Zaubertrick. Jesu Publikum besteht nämlich aus lauter skeptischen Gelehrten, die allerdings nicht einmal „Mach doch“ sagen müssen, denn Jesus weiß schon ohne Worte, was sie denken und dass sie ihm nicht glauben. Er bleibt ganz ruhig und professionell und beweist ihnen, dass er den Gelähmten tatsächlich heilen kann.
Dieser führt daraufhin erst einmal einen Freudentanz auf. Ich musste die Stelle noch zwei Mal vorlesen, bevor wir die Bibel schließlich aus der Hand legten.
Am Abend traf ich meinen Sohn in der Badewanne an, wo er im Spiel vor sich hin sang: „Der Herr ist auferstanden, der Herr ist auferstanden.“ „Habt ihr das in der Schule gesungen?“ fragte ich ihn. Nein, das hatte er sich ausgedacht.


Britta Füllgrabe über
Die große Kinderbibel. Nacherzählt von Murray
Watts. Illustriert von Helen Cann. Ins Deutsche
übertr. von Dr. Maria Zettner, Marianne Fröse-
Lange. Brunnen/Pattloch, 2002. (Bild: S.238)


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Das Wunder von Derry

Auf unserer Reise durch Nordirland kamen wir auch nach Derry oder Londonderry, wie der protestantische Nordire sagt. Ob jemand die Stadt Derry oder Londonderry nennt, klärt gleich die politische Zugehörigkeit.
Obwohl das Karfreitagsabkommen von 1998 die politischen Unruhen und terroristischen Anschläge beendet hat, ist in Belfast und Derry noch eine klare Trennung der Stadtteile, in denen Katholiken und Protestanten (Unionisten) wohnen, sichtbar. Wir wohnten in einem Bed & Breakfast im katholischen Viertel „Free Derry“, was uns an der Zahne der Republik Irland und anderen Ausstellungsstücken im Frühstücksraum ganz deutlich wurde.
Wir spazierten durch den nahe gelegenen Brooke Park zur St. Eugenes`s Cathedral, die anlässlich der 150 Jahrfeier noch festlich geschmückt war. Eine freundliche Dame aus dem Kirchenvorstand erklärte uns die im Mittelgang aufgestellten Fahnen und auch die in einem Seitenschiff aufgestellte Statue eines jungen Mannes, über die wir uns wunderten, da sie keine typische Heiligenfigur war. Es handelt sich um Carlo Acutis, der 2020 selig gesprochen wurde. Hier kommt seine Geschichte:

Carlo Acutis wurde als Kind italienischer Eltern 1991 in London geboren, zog aber kurze Zeit später mit seinen Eltern zurück nach Italien. Carlo war ein computerbebeisterter Jugendlicher, der außerdem tief religiös war. Bereits mit elf Jahren erstellte er ein Online-Verzeichnis, das sogenannte eucharistische Wunder aus allen Kontinenten sammelte und katalogisierte. Diese Sammlung wurde später als Ausstellung konzipiert und ist auch in die deutsche Sprache übersetzt worden.
2006 erkrankte Carlo an Leukämie und starb noch im selben Jahr mit nur 15 Jahren. Seine Mutter und ein Priester der Gemeinde, in der er sich engagiert hatte, initiierten 2013 den Prozess der Seligsprechung. Hierfür wird ein Wunder benötigt, das in Zusammenhang mit Carlo steht.
Dieses Wunder soll sich 2010 an einem brasilianischen Jungen ereignet haben, der an einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung litt. Die Genesung des Jungen wurde mit einer Reliquie von Carlo in Verbindung gebracht, die er bei einer Andacht zu Ehren Carlo’s berührt hatte. Papst Franziskus erkannte das Wunder mit Dekret vom 21. Februar 2020 an und Carlo wurde am 10. Oktober 2020 in Assisi seliggesprochen.
Viele jungen Menschen aus der Gemeinde hätten über Carlo einen Zugang zum Glauben gefunden, erzählte uns die Dame aus dem Kirchenvorstand weiter. Durch einen Kontakt zur Mutter von Carlo hat auch die St. Eugene’s Cathedral eine Locke von Carlo’s Haar als Reliquie erhalten.

Wir verließen die Kathedrale und dachten über moderne Wunder nach und was sie für uns bedeuten. Glauben wir noch an Wunder oder würden wir sie erkennen?

Text und Fotos: Christine Wismer
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