Predigt 28.06.2020 - Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde

Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde
Hannover Badenstedt
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3. Sonntag nach Trinitatis - 28. Juni 2020
Predigt: Pastor Stefan Krause

Einen gesegneten Sonntag
wünschen wir Ihnen mit diesem Predigtgruß!

Gott ist schön!

So der Titel eines Buches von Navid Kermani, in dem er die ästhetische Seite seiner Religion beschreibt. Er ist Kölner, seine Großeltern leb(t?)en in Persien in der Stadt Isfahan. In dem Buch geht es natürlich um Erfahrung der Schönheit Gottes im Islam, namentlich im Koran – ein Bereich, der mir mangels entsprechender Sprachkenntnisse verschlossen ist.

Im ersten Absatz des Buches erfährt man folgende Geschichte:
„Der größte unter den Dichtern Arabiens war Labid ibn Rabi’a. Die Blätter mit seinen Gedichten hingen, als Zeichen seines Triumphs, an den Türen der Kaaba. Keiner seiner Dichterkollegen wagte es, die Herausforderung anzunehmen und seine Verse neben die Labids zu hängen. Eines Tages jedoch näherten sich einige Anhänger Mohammeds, der unter den heidnischen Arabern jener Zeit als obskurer Zaubermann und geistesgestörter Poet verschrien war.  Sie befestigten ein Stück der zweiten Sure des Koran am Tor und forderten Labid auf, es vorzutragen.  Der Dichterkönig lachte ob dieser Anmaßung auf. Mehr aus Zeitvertreib oder vielleicht auch aus Spott ließ er sich darauf ein, die Verse zu rezitieren. Überwältigt von ihrer Schönheit bekannte er sich an Ort und Stelle zum Islam.”

Die Geschichte mag uns Christen verwunderlich erscheinen. Gilt uns Schönheit doch eher als äußerlich und wenig aussagekräftig. „Außen Hui – innen Pfui”, sagt bei uns der Volksmund und ein in hartnäckigen Klischees überlieferter Pfarrertyp spricht vom vergänglichen, ja trügerischen Wesen der Schönheit und stellt ihr die inneren Werte entgegen.
Wahre Schönheit kommt schließlich von innen, heißt es, und überhaupt neigen wir dazu, Inhalt gegenüber der Form den Vorzug zu geben. Bekehrungen zum Christenglauben jedenfalls, die ihre Ursache darin haben, dass jemand die Texte der Bibel besonders schön vortragen kann, gibt es m.W. nicht.
Berührungspunkte zwischen Christentum und Islam gibt es in puncto Schönheit vermutlich vor allem in der Kunst – Kalligraphie, Miniatur, Architektur. So unterschiedlich da die beiden Welten sein mögen – Kenner würden vermutlich immer diverse Berührungspunkte mit der benachbarten Religion finden. Navid Kermani jedenfalls hat sich ausweislich eines anderen seiner Bücher von Kunst aus dem christlichen Kontext berühren lassen. Es heißt „Ungläubiges Staunen” und handelt von Bildern und Skulpturen.

Gott ist schön. Die Heilige Schrift ist schön …
Wir sagen gemeinhin andere Dinge über ihre Texte:
„Die Bibel hat (doch) recht!” –„Die Bibel irrt.”
„Man muss sie aus ihrer Zeit heraus verstehen.”
„Im Kern geht es in der Bibel um …”
„Das ganze zeitbedingte »Zeug« kann man streichen.”
„Sie gehört zum Kulturgut.”
„Die Bibel setzt moralische Maßstäbe, an die sich auch Christen seltenhalten.” – „Was soll man mit den Wundern anfangen?”
„Die 10 Gebote können bleiben, als Richtschnur. Vielleicht sollte man sie aber um ein 11. ergänzen, wegen der Ökologie.”
„Man sollte sie modern übersetzen, sinngemäß.”
„Es geht um ihre Message!”
„Man sollte ihre alten Übersetzungen in Ehren halten.” Et cetera.

Ich muss(te) mich aus beruflichen Gründen häufig zu Texten der Heiligen Schrift äußern. Oft sitze ich davor und merke: Ich bin blockiert.  Es kommt nichts. Dann schreibe ich mir den ganzen „Interpretationsmüll” aus dem Kopf. Das sind Dinge, Klischees oft, die so wenig weiterhelfen, wie sie tief sitzen. Manchmal kommt dann etwas Schönes zum Schluss und ich kann z.B. einen Predigtgruß verfassen. Ein Beispiel gefällig?
Nach der Verfilmung eines neutestamentlichen Heilungswunders im Verlauf einer Konfirmandenfreizeit entstand folgender Text, der ziemlich genau die Filmszene wiedergibt:

Text auf Text (für Maren, Thorsten & Markus)
Soll ich dich heilen?
Ja. Kannst du das denn?                                                                                          
Klar. Ist doch ganz einfach: Kommen, bitten, berühren,
ein bisschen Spucke drauf, ein paar Hauptwörter dazu,    
und alles verschwimmt.
Du wirst schon sehn. Auch die Bäume.

Der zugrunde liegende Text findet sich im Markusevangelium (Markus 8, 22-26). Ich wusste immer: Das ist ein starker, ein schöner Markustext. Ein Text, der möchte, dass man mit ihm arbeitet und sich von ihm überraschen lässt. In jugendlicher Unbekümmertheit.  Ein Text, der vermutlich nicht möchte, dass man ihn auf eine Katechismuswahrheit verengt. Gott ist eben unter anderem auch schön.

Und einen schönen Sonntag wünscht Ihnen auch
Ihr Pastor Stefan Krause
Aus dem Markusevangelium (Markus 8,23-25)
Jesus nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn hinaus vor das Dorf, spuckte in seine Augen, legte ihm die Hände auf und fragte ihn: Siehst du etwas?
Und er sah auf und sprach: Ich sehe die Menschen umhergehen, als sähe ich Bäume.
Danach legte er abermals die Hände auf seine Augen. Da sah er deutlich und wurde wieder zurechtgebracht und konnte alles scharf sehen.


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